Mit dem Segelboot nach Chile (Puerto Williams)

Als wir am Freitag um 8:30 Uhr am Bootsanleger sind, ist bereits ein Mann auf Mickis Boot. Er heißt Oleg, ist Anwalt in Moskau und gestern Abend für einen zweiwöchigen Segeltörn um Kap Horn angekommen. Oleg ist leidenschaftlicher Segler und nimmt uns bestens gelaunt in Empfang. Gegen 9 Uhr treffen Micki und Emilio ein. Emilio ist, wie Micki aus Ushuaia und verdient sich mit verschiedensten Arbeiten sein Geld. Heute bricht er zum ersten mal mit zu einem Segeltörn auf. Wir verabreden uns für 10 Uhr bei der Prefectura für Zoll und Passkontrolle. Dort stößt schließlich noch Christian zu uns, ein netter Chilene, der durch seine Wurzeln fließend deutsch spricht und gestern mit dem Segelboot aus Punta del Este in Uruguay angekommen ist.

Mit dieser bunten, unheimlich netten Truppe stechen wir kurze Zeit später in See. Das Wetter ist super, die Sonne scheint und es sind an die 17°C. Nur Wind gibt es heute leider fast keinen. Das hätten wir uns die letzten zwei Tage, die wir in Ushuaia fast von der Straße gefegt worden sind, nicht vorstellen können. So wird aus unserer Segelfahrt eine fünfstündige Überfahrt mit Motor. Nur das kleine Segel haben wir zeitweise zur Unterstützung offen. Aber auch so verbringen wir einen Tag, den wir so schnell nicht vergessen werden. Mit einer Kanne Mate und unserer sympathischen Crew ist es eine sehr gesellige Überfahrt, die Landschaft ist traumhaft und das Wetter sogar so gut, dass ich die Hängematte aufspannen kann.

Gegen 16 Uhr erreichen wir schließlich Puerto Williams. Während sich Ushuaia mit dem Slogan „Fin del Mundo“ bis in den letzten Winkel vermarktet, fühlt man sich in diesem 2000-Seelen Ort doch nochmal ein gutes Stück näher am Ende der Welt. So haben es die Einwohner von Puerto Williams vermutlich nicht nötig an jede Straßenecke einen entsprechenden Slogan anzubringen. Touristen findet man in Puerto Williams sowieso kaum, bis auf das Dutzend, dass Samstags mit der Fähre ankommt bzw. fährt oder mit einer der Segeljachten Richtung Kap Horn oder Antarktis unterwegs ist. Und trotz der überschaubaren Größe ihres Ortes haben die Einwohner von Puerto Williams alles was sie brauchen, von kleinen Supermärkten, Post und Bank bis zu einem winzigen Flughafen.

Als erstes laufen wir zum Fahrkartenbüro der Fähre. Als wir fragen wie es mit der Verfügbarkeit von Plätzen aussieht fangen die beiden netten Damen hinterm Schalter etwas verlegen an zu lachen und sagen uns, dass es im Dezember schlecht aussieht. „Alle Fähren sind ausgebucht.“ Wir lassen uns trotzdem auf die Warteliste für morgen schreiben, falls doch noch jemand abspringt und fragen, was es sonst für Möglichkeiten gibt wieder aus Puerto Williams weg zu kommen. Die beiden Damen fangen wieder an zu lachen und meinen: „Nicht viele.“ Aber wir könnten unser Glück ja mal bei der Flugfirma versuchen. Hier gibt es tatsächlich noch freie Plätze für Samstagvormittag oder Montagnachmittag. Die Tickets sind mit 60.000 Peso (ca. €90) fast nur halb so teuer, wie die Fähre für Touristen (102.000 Peso = ca. €150). Notfalls würden wir gegen unseren Grundsatz nicht zu fliegen verstoßen um hier wieder weg zu kommen, aber lieber würden wir die Fähre nehmen um mehr zu sehen. Also entscheiden wir morgen um 12 Uhr zu gucken, ob wir einen Platz auf der Fähre bekommen und ansonsten ein Flugticket für Montag zu kaufen. Die subventionierte Fähre, die alles nach Puerto Williams transportiert, ist für Einheimische übrigens deutlich billiger (5700 Peso = ca. €9).

Abends treffen wir uns mit allen vom Boot und ein paar anderen Seglern, die Micki kennt, in einer Pizzeria im Ort, wo es heute „Pizza libre“ (also bis man keinen Hunger mehr hat) und selbstgebrautes Bier gibt. Das es das südlichste gebraute Bier der Welt ist, erwähnt hier niemand außer uns. Es ist ein unheimlich netter Abend. Jeder einzelne am Tisch ist uns sehr sympathisch und interessant. Außer unserer Crew sitzen hier ein Chilenischer Skipper (Osvaldo), der in Bielefeld wohnt, aber die meiste Zeit des Jahres am Nordkap oder in der Antarktis segelt, einer seiner Kunden, der heute von einem 33-stündigen Flug aus Frankfurt angekommen ist, Denis, ein Schweizer der seit 13 Jahren in Puerto Williams wohnt und Esteban aus Ushuaia, der ähnlich wie Emilio bei Micki der zweite Mann an Board von Osvaldo ist.

Am Samstagmorgen schlafen wir etwas länger. Nach dem Frühstück fragt unsere unheimlich herzliche Gastgeberin Patty uns, ob es mit den Fährtickets geklappt hätte. Wir sagen ihr, dass wir mittags nochmal im Büro nachfragen sollen. Da meint sie zu uns, sie würde dort mal anrufen. Hier kennt sich schließlich jeder. Fünf Minuten später erfahren wir von ihr, dass Plätze für uns frei geworden wären. Und tatsächlich, als wir um 12 Uhr am Fahrkartenbüro sind, bekommen wir zwei der letzten Plätze, obwohl wir auf der Warteliste ziemlich hinten standen. Vielleicht haben es einige Touristen bei der schlechten aktuellen Anbindung nicht von Ushuaia hierher geschafft, vielleicht haben sich einige Einheimische in der letzten Minute nochmal umentschieden, aber ganz sicher hat Pattys Anruf nicht geschadet. Wir können unser Glück nicht fassen, sind aber auch ein bisschen traurig so schnell wieder aus diesem einmaligen Ort abzureisen. Er hätte mehr Zeit verdient.

Als wir Puerto Williams mit der Fähre wieder verlassen stellen wir fest, dass wir als Faustregel sagen können:

  1. Unsere Reise scheint umso interessanter zu werden, desto günstiger wir versuchen zu reisen.
  2. Am spannendsten wird die Reise, wenn wir versuchen irgendwo hinzukommen, wo man mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr hin kommt.

  9 comments for “Mit dem Segelboot nach Chile (Puerto Williams)

  1. Meggie
    16. Dezember 2015 at 22:18

    Ich freue mich immer sooooo über Eure Reiseberichte und bin sehr gespannt und neugierig, was Ihr noch erlebt 🚌⛵️🐫 🚶🏻Liebe Grüße 😘

  2. Maman
    17. Dezember 2015 at 10:42

    chouette moment le “stand by me” au youkoulélé !

  3. helmi
    17. Dezember 2015 at 11:30

    Plus des videos !! Prima links. 🙂 helmi

  4. Daniel
    17. Dezember 2015 at 15:46

    De l’ile de Navarino à Punta Arenas, je n’arrive pas, parmi ce dédale d’îles, à retrouver votre cheminement, cela malgré mon gros atlas du “TIMES”. Vous avez bien du courage, et je m’émerveile, aux récits de ma petite fille, de suivre votre périple. C’est une joie de voyager avec vous. Bises mes chers. DR.

  5. Gens william
    18. Dezember 2015 at 23:34

    Bravo pour la vidéo, mais personne n’a eu le mal de mer pendant la traversée ?

  6. steffi
    20. Dezember 2015 at 18:15

    Hi Ihr Zwei !
    Superschöne Bilder und Impressionen, die ihr wieder eingefangen habt und mit uns teilt – lieben Dank!
    Das Wetter scheint bei euch auch nicht viel winterlicher oder weihnachtlicher zu sein als bei uns hier 🙂 …. trotzdem herzliche Grüße zum 4. Advent aus der Weserstraße 🙂
    Steffi & Timm

  7. Zouzou
    20. Dezember 2015 at 18:30

    Coucou les amoureux

  8. Babs
    22. Dezember 2015 at 20:27

    Hallo Ihr 2,
    auch von der Weserstr. 66 liebe Grüße. Meint Ihr, dass das Christkind Euch Donnerstag findet? Lasst es Euch auf jeden Fall weiter gut gehen und versorgt die armen Mitteleuropäer weiter mit tollen Berichten und Bildern.
    Liebe Grüße
    Babs

  9. Ulla und Jean-Pierre
    24. Dezember 2015 at 12:09

    Liebe Elodie und lieber Tobias,
    heute ist der 24.12. und wir wünschen Euch bei Eurer wundervollen Reise ein schönes Weihnachtsfest und ein glückliches neues Jahr. Es soll euch richtig gut gehen und wir freuen uns auf weitere spannende und aufregende Berichte.
    Liebe Grüße
    Ulla und Jean-Pierre aus Gonsenheim

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