Vitória

1. Oktober – Um 5 Uhr morgens erreichen wir Vitória. Nach einem kleinen Frühstück im Busterminal und 2 km Fußweg sind wir gegen 6:30 Uhr am „That Hostel“. Alles sieht noch verschlossen aus, aber man öffnet uns die Tür. Erst nach längerer Unterhaltung auf portugiesisch, stellt sich heraus dass unser netter Gastgeber aus New York kommt. Er hatte vor vier Jahren vor, wie wir einen Zwischenstopp von zwei Tagen hier zu machen und ist geblieben. Das Hostel hat er hauptsächlich aus seiner Begeisterung an Hostels eröffnet und um Leute zu treffen. Es ist sehr gemütlich und durch sein künstlerisches Talent geschmückt.
Nach einem gemütlichen Vormittag erkunden wir das Centro Historico, in dem unsere Unterkunft  liegt. Die Metropolregion von Vitória ist mit ca. 1,6 Millionen Einwohnern eine Großstadt, aber das Zentrum ist überschaubar. Obwohl wir außer uns kaum Touristen sehen, ist die Stadt für Besucher gut erschlossen. Vor den historischen Gebäuden sind Informationstafeln angebracht, die uns mit dem dazugehörigen Stadtplan durch die Stadt führen. Nachmittags nehmen wir einen Bus zum Praia de Camburi. Mit dem modernen Hafen am Horizont ist es kein besonders schöner Strand, aber für eine Abkühlung reicht es.
Abends treffen wir Elodies Großcousin Luca, mit Cousin und Großmutter in einem der Ausgehviertel der Stadt am Praia do Canto. Wir essen Moqueca, eine lokale Fischspezialität, die man probieren muss. Luca ist in Vitória aufgewachsen und gerade wieder zufällig in der Stadt. Es ist ein netter Abend und schön einen Teil Familie an einem so exotischen Ort zu treffen.
Als wir wieder zum Hostel zurückkehren, brechen unsere Mitbewohner gerade zu einer Party auf und drängen darauf, dass wir mitkommen. Nachdem wir ihnen zum Abendessen bereits abgesagt hatten, können wir dies schlecht ein zweites mal tun und schließen uns ihnen an. Eine kurze Busfahrt später kommen wir in einem ruhigen Viertel an einer Art Bar an, an der die gesamte Straße mit jungen Leuten gefüllt ist. Aus der Bar, die eher einer großen offenen Garage ähnelt, tönt Musik einer kleinen Liveband. Wir finden noch einen Platz in der „Garage“. Die Stimmung ist gut und wir können uns davon überzeugen, dass die Brasilianer wirklich zu feiern wissen. Als wir am frühen Morgen ein Taxi zurück zum Hostel nehmen, gleicht die Bar einem Schlachtfeld und wir sind froh, hier nicht aufräumen zu müssen.

2. Oktober – Heute machen wir gemütlich. Am Nachmittag brechen wir schließlich auf um den Morro da Fonte Grande zu ersteigen, von dem man eine herrliche Aussicht über die Stadt haben soll. Leider fährt nur der Minibus 010, der nicht so häufig verkehrt in das Viertel, in dem der Fußweg beginnt. Nachdem wir eine halbe Stunde vergeblich auf den Bus gewartet haben und die verbleibende Zeit bis zum Einbruch der Dunkelheit immer knapper wird, beschließen wir noch 10 Minuten, bis 16:15 Uhr zu warten. Wenn der Bus bis dahin nicht gekommen ist, nehmen wir einen der vielen Busse zum Busbahnhof und kaufen die Tickets nach Rio de Janeiro, wo wir als nächstes hin wollen. Um 16:13 Uhr hält Bus 010 vor unseren Füßen. Wir steigen unentschlossen ein, mit der Sorge, dass wir für den Aufstieg nicht mehr besonders viel Zeit haben. Die Fahrt bis zur Endstation des Busses dauert jedoch nicht lange. Auch der Aufstieg geht schneller als gedacht. Gegen 17 Uhr haben wir unter den letzten Strahlen der Nachmittagssonne einen tollen Blick über Vitória. Vor dem Einbruch der Dunkelheit sind wir wieder unten.
Abends erzählen uns, unsere brasilianischen Mitbewohner beim Caipirinha von einem Zug der von Vitória nach Belo Horizonte fährt. Es ist eine der letzten verbliebenen Eisenbahnstrecken mit Personenverkehr Brasiliens und mit ca. 650 km die längste. Für die landschaftlich schöne Strecke solle es sich auch lohnen die 13 Stunden in Kauf zu nehmen, die der Zug für die Strecke benötigt. Das hört sich alles sehr interessant an. Vielleicht sollten wir unsere Pläne nochmal ändern.

3. Oktober – Auch heute beginnen wir den Tag entspannt und informieren uns über Belo Horizonte und das nahe gelegene Ouro Preto. Wir entscheiden schließlich zum Bahnhof zu fahren und Tickets für morgen früh zu kaufen. Mit den Bussen haben wir heute wieder nicht viel Glück, so dass wir die Strecke zum Bahnhof letztendlich zu Fuß laufen. Um 14:55 Uhr sind wir am Bahnhof, der völlig ausgestorben scheint. Hinter einem Schalter entdecken wir dennoch einen Mann und ein Schild, auf dem steht, dass die Schalter um 15 Uhr schließen. Nachdem wir uns am Vortag noch über die Zufälle gewundert haben, die dafür gesorgt haben, dass wir jetzt hier sind, grübeln wir nun doch ein bisschen, ob es nicht so etwas wie Schicksal gibt. Als glückliche Besitzer zweier Tickets nach Belo Horizonte, die einen materiellen Wert von jeweils lediglich €15 haben, besuchen wir anschließend noch das Museo Vale (Eisenbahngesellschaft). Die im Reiseführer erwähnte Ausstellung für moderne Kunst ist leider geschlossen. Dafür lernen wir einiges über die Geschichte der Bahnstrecke, die wir morgen befahren werden.

Nach unserem kurzen Abstecher in den kleinen Staat Espiritu Santo sind wir mittlerweile fast drei Wochen in Brasilien unterwegs und haben langsam einen angenehmen Reiserhythmus entwickelt. Die Frequenz zwischen neuen Entdeckungen und Entspannung hat sich von alleine eingespielt, ohne dass wir uns viel dazu absprechen müssen. Wenn einer von uns sagt „Sollen wir morgen weiterfahren?“ oder „… noch einen Tag hier bleiben?“ hat der andere häufig schon einen ähnlichen Gedanken.

In Vitória sprechen wir zum wiederholten Male mit unseren Gastgebern und Einheimischen auch über die aktuelle Situation Brasiliens. Während unsere Reiseführer von 2010 und 2013 sehr optimistisch klingen, scheint sich die Lage für den Großteil der Bevölkerung in den letzten Jahren eher wieder verschlechtert zu haben. Der Mindestlohn in Brasilien beträgt R$800 / €200, von denen es sich hier wirklich schwer leben lässt (für eine Einzimmerwohnung in einem richtigen Gebäude muss man mit R$1000 rechnen). Die Leute scheinen wenig Hoffnung in der Politik zu haben und bemängeln das hohe Ausmaß an Korruption. Der schwache Real scheint diese Situation wirtschaftlich widerzuspiegeln. Gleichzeitig gibt es aber auch viel Reichtum und Stadtteile in denen man sich wie in Europa fühlt. In kaum einem anderen Land haben wir bei unseren Reisen bislang Reichtum und Armut so nah beieinander gesehen wir hier. Die Favelas in unmittelbarer Sichtweite von Luxuswohnungen und prunkvollen Autos schockieren uns als Europäer schon. Beeindruckt sind wir bislang von der Sauberkeit des Landes. Insbesondere am Anfang unserer Reise haben wir kaum Müll an den vielen Stränden gesehen. Auch Leute, die den Müll aus dem Fenster fahrender Busse und Autos werfen sind sehr selten. In den Städten gibt es teilweise sogar Mülltrennung. Der Müll scheint ein Beispiel zu sein, in dem Brasilien schon deutlich weiter entwickelt ist als andere Länder. Bei der enormen Größe des Landes, die wir langsam ein bisschen besser einschätzen können, bleibt zu hoffen, dass sich die allgemeine Lage Brasiliens in den nächsten Jahren wieder weiter zum positiven entwickelt.

  5 comments for “Vitória

  1. Meggie
    5. Oktober 2015 at 22:14

    Danke, dass Ihr mich an Eurer Reise durch die ausführlichen Berichte und schönen Fotos teilhaben lasst!

  2. Babs
    6. Oktober 2015 at 8:51

    Ich schließe mich Meggie unbekannter Weise an!!! Weiter viel Spaß!

  3. Ulla und Jean-Pierre
    6. Oktober 2015 at 13:39

    Wir schließen uns den Vorworten an. Jeden Tag bin ich aufs neue gespannt welche Abenteuer ihr erlebt. Weiterhin ganz viel Glück mit dem Schicksal.

  4. Jette&Jarda
    6. Oktober 2015 at 19:58

    jetzt verfolgen auch wir Eure Reise! Lasst es Euch gut gehen!
    Hier bei uns gibt es nicht viel zu vermelden – ausser vielleicht: der neue Wein/Federweisse schmeckt mal wieder sehr gut, sowas habt Ihr wahrscheinlich nicht. PROST !
    Bleibt gesund, Ihr 2 Schätze!
    Alles Liebe von J&J

  5. Zouzou
    8. Oktober 2015 at 18:35

    <3

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