Rio de Janeiro

Cidade Maravilhosa

Die verschiedenen Liebhaber der „Cidade Maravilhosa“, die im Reiseführer mit den Worten zitiert werden, Rio sei die schönste Stadt der Welt, haben vermutlich recht. Zumindest packt die Stadt auch uns in ihren Bann. Fasziniert sind wir besonders von den Ausblicken, die man hier von so vielen Orten genießen kann. Auch die türkisfarbenen Strände der Copacabana und in Ipanema präsentieren sich in einer Schönheit, wie wir sie in einer Stadt nicht für möglich gehalten hätten. Landschaftlich ist Rio geradezu berauschend. Während die Metropole an den Stränden und der Bucht entlang gewachsen ist, bleiben dazwischen bis heute noch hohe Berge voller Regenwald erhalten, die sich durch ihre steile Lage gegen die Bauwut des Menschen geschützt haben und ihn mit ihrer grünen Pracht belohnen. Am ersten Tag bestaunen wir diese Schönheit vom höchsten Aussichtspunkt der Stadt mit Christus höchstpersönlich. Wir fahren 20 Minuten mit der Zahnradbahn den Berg hinauf. Von der Bergstation hat der ganz faule Tourist anschließend sogar die Möglichkeit, sich mit Aufzug und Rolltreppe bis zu den Füßen Christus hinauf befördern zu lassen. Entsprechend überlaufen ist dieses berühmte „neue Weltwunder“. Und trotzdem sind wir unheimlich glücklich hier oben zu sein und sind überzeugt davon, dass dieser Ausblick ein Highlight Südamerikas ist.

Morro Dois Irmãos

Am zweiten Tag wollen wir auf den Pão de Açúcar, den Zuckerhut. Begeistert von der Aussicht am Vortag, haben wir uns schon auf die Touristenmassen eingestellt. Doch dann wechseln wir ein paar Worte mit unseren netten Mitbewohnerinnen Camila und Mara aus São Paolo beim Frühstück. Sie wollen auf den Morro Dois Irmãos und bieten uns an, mitzukommen. Also ändern wir unsere Tagesplanung kurzfristig und haben das Glück einen Aussichtspunkt zu ersteigen, der heute vielleicht immer noch als „Geheimtipp“ bezeichnet werden kann. Wir nehmen zwei Busse um an den Fuß des Morro Dois Irmãos zu gelangen, an dem sich wie an so vielen Hügeln der Stadt eine Favela angesiedelt hat. Vier Mototaxis fahren uns bis ans obere Ende der Favela, wo der Wanderweg zum Gipfel beginnt. Von dort sind es ca. 40 Minuten Fußpfad durch teilweise dichten Regenwald. Auf halber Strecke lichtet sich der Weg an einem Felsen, von dem es senkrecht 300 Meter nach unten geht. Unten liegt Rocinha, die größte Favela Rios, die über 150.000 Einwohner zählen soll. Die letzten Meter bis zum Gipfel sind nochmal steil. Dann haben wir es geschafft und werden mit einem atemberaubenden Ausblick belohnt. Auf der einen Seite Rocinha, auf der anderen Ipanema, Copacabana, Pão de Açúcar, Cristo und wir sind insgesamt vielleicht 15 Leute auf dem Gipfel, nicht zu vergleichen mit den Touristenattraktionen der Stadt. Wir sind den beiden Paulistas, Camila und Mara sehr dankbar, ohne sie hätten wir uns nicht hier hoch verlaufen.

Alle wollen nach Rio

Nachmittags laufen wir durch Lapa (das Ausgehviertel Rios) über die Selarón Treppe, die der Chilenische Künstler mit Fliesen aus der ganzen Welt geschmückt hat, ins kleine Künstlerviertel Santa Teresa, welches oberhalb des Stadtzentrums liegt. Am Parque das Ruinas haben einen schönen Ausblick über die Bucht. Auf dem Rückweg zu unserem lauten Hostel Bamboo an der Copacabana fragen wir bei verschiedenen anderen Hostels, ob sie für den folgenden Tag noch Betten frei haben. Da am Montag Feiertag ist, gibt es im Bamboo keinen Platz mehr für uns. Auch die anderen Unterkünfte sind voll. Erst das fünfte Hostel bietet uns zwei Betten in einer 12er Dorm für R$ 68 an. Im Bamboo versuchen wir unser Glück nochmal auf www.hostelhops.com einem Buchungsnetzwerk von Hostels, bei dem keine Kommission anfällt. Dort finden wir das charmante Santê Hostel in Santa Teresa, in das wir am nächsten Tag umziehen, für R$ 30 pro Person.

Ein Vormittag an der Copacabana

Doch bevor wir nach Santa Teresa aufbrechen, nutzen wir die Lage des Bamboo Hostels an der Copacabana noch und verbringen den Vormittag am Strand. Was für ein Spektakel! Unsere Hoffnung, uns von der unruhigen Nacht am Strand ausruhen zu können, löst sich schnell in den Rufen hunderter Strandverkäufer auf. Viel konnten wir uns unter Copacabana vorher nicht vorstellen, außer einem schön en Strand mit noch schöneren Menschen, aber das hatten wir uns nun wirklich nicht vorgestellt: Während man am Strand liegt, hat man die Möglichkeit fast seine ganzen Einkäufe zu erledigen, von Caipirinha über Garnelen bis zu Bikinis und Radios ist alles im Angebot. So sich entwickelt auch unser Vormittag an der Copacabana zu einem Erlebnis und wir bereuen es, aus Vorsicht keine Kamera mitgenommen zu haben.

Santa Teresa

Als wir am Nachmittag im Santê Hostel in Santa Teresa ankommen, sind wir direkt begeistert und beschließen kurz darauf zwei Nächte hier zu bleiben, statt am nächsten Morgen nach São Paulo aufzubrechen. Abends gehen wir mit einem netten jungen Paar aus São Paulo in einem der gemütlichen Restaurants des Viertels essen und sind erfreut, wie gut wir uns mittlerweile auf portugiesisch unterhalten können. Den folgenden Tag verbringen wir in unserem ruhigen Hostel, wo wir viele andere nette Mitreisende (vor allem aus Frankreich und Deutschland) treffen. Mit Aziz aus Dubai erkunden wir den Markt unten in der Stadt, essen etwas zu Mittag und kaufen frischen Fisch für abends. Es ist toll, wie man durch Reisende wie Aziz noch ganz andere Ecken der Welt kennenlernt, als die, die man gerade bereist.

Die andere Seite von Rio

Neben seiner unbeschreiblichen Schönheit ist Rio bis über die Grenzen Brasiliens hinweg vor allem für seine Favelas und Gewalt bekannt. Auch wir haben uns vor unserer Ankunft in der Stadt ein bisschen Sorgen um die Sicherheit gemacht, haben uns aber letztendlich zu keinem Zeitpunkt unwohl hier gefühlt. Natürlich ist das nur ein subjektives Gefühl, aber wenn man als Tourist einigen Grundregeln und seinem gesunden Menschenverstand folgt, scheint es uns tatsächlich nicht viel wahrscheinlicher, in Rio ausgeraubt zu werden, als in irgendeiner anderen Großstadt.

Anders sieht es sicherlich für die Cariocas (Einwohner von Rio) aus, insbesondere die Armen, die häufig gar nicht die Möglichkeit haben, sich an gewisse „Sicherheitsregeln“ zu halten, wenn sie etwa spät Abends von der Arbeit nach hause (u.a. in die Favelas) kommen. Sie leben täglich mit dem Risiko ein Teil der haarsträubenden Statistiken der Gewalt in Brasilien zu werden, nicht die Touristen, die sich tagsüber am Polizei-bewachten Strand sonnen. Der Schutz von ihnen geht sogar so weit, dass „auffällige“ Personen bei Straßenkontrollen aussortiert werden und somit den Armen teilweise ihr Grundrecht entzogen wird, den öffentlichen Strand zu nutzen (Süddeutsche Zeitung). Das erklärt vielleicht auch, warum wir an der Copacabana keine Straßenkinder oder Bettler gesehen haben. Erschreckend in was für einer Welt wir leben!

Uns scheint es ein bisschen, als seien Sicherheitskontrollen die letzte Möglichkeit die es Brasilien erlauben Wohlstand und Armut auf solcher Nähe, irgendwie nebeneinander leben zu lassen, anstatt die Armut im Kern erfolgreich zu bekämpfen. Beim Blick über Rocinha (die größte Favela Rios) schockiert uns unter anderem, in welcher Nähe ein riesiges Shoppingcenter erbaut wurde und wie die Wellblechdächer am oberen Rand des Hügels an ein Viertel grenzen, in dem jedes zweite Haus einen Swimmingpool hat. Täglich kommt es uns in den Städten so vor, als füttern die Ausgaben, die in Brasilien in Sicherheitsvorkehrungen investiert werden einen der größten Wirtschaftszweige des Landes und wir denken uns, was man alles mit diesem Geld machen könnte, wenn die Sicherheitslage besser wäre.

Allerdings gibt es auch Lichtblicke. Favela ist heute nicht mehr Favela. Seitdem der Staat es geschafft hat, die Kontrolle einer großen Zahl an Favelas von der Drogenmafia zurückzuerobern, gibt es die sogenannten befriedeten Favelas („pacificadas“). Hier erscheint die Sicherheitslage für Einwohner und Besucher fast so gut wie in anderen Vierteln der Stadt. Bei unserem Aufstieg zum Morro Dois Irmãos bekommen wir selbst einen kleinen Eindruck davon, wie sich die Favelas zu einem Teil der Stadt entwickelt haben. Hier gibt es Post, Supermärkte, Feuerwehr und sogar jede Menge Hostels. Das gibt uns etwas Hoffnung, dass es auch möglich ist, die Wohnsituation der Armen in dieser Stadt zu verbessern.

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  4 comments for “Rio de Janeiro

  1. Meggie
    19. Oktober 2015 at 16:26

    Vielen Dank für die ausführlichen Schilderungen und Fotos, die wirklich sehr beeindruckend sind. und so muss ich mich nicht auch noch auf die weite Reise machen, um Südamerika kennen zu lernen 😊 Ich wünsche Euch weiterhin eine gute Reise! Hier ist mittlerweile der Spätherbst eingezogen. Anfang letzter Woche gab es den ersten Schnee und Frost. Lieben Gruß 😘

  2. Carla
    19. Oktober 2015 at 16:47

    Wow, sehr anschaulich. Ohne die Stadt oder einen zugehörigen Reiseführer zu kennen kann man sich ein erstes Bild machen. Viel Spaß noch am Zuckerhut!

  3. Alwine
    19. Oktober 2015 at 22:00

    Vielen Dank für die atemberaubenden Bilder und die anschauliche Schilderung einer widersprüchlichen Stadt. Ihr dürft so viel erleben und so viele Erfahrungen sammeln. Ich wünsche Euch weiterhin eine schöne Reise!

  4. Steffi
    21. Oktober 2015 at 22:18

    Hi Ihr Zwei 🙂
    Sind echt tolle Bilder und Berichte ! Ihr scheint es so richtig zu genießen – so soll es auch sein und das war ja wohl auch der Plan – stimmt’s !?
    Wir wünschen Euch noch ganz viel Spaß und viele tolle Erlebnisse!
    Liebe Grüße von den Ex-Nachbarn aus Rüsselsheim!
    Steffi & Timm
    PS: … für den kleinen Rucksack sind Eure Outfits recht abwechslungsreich 😉

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