Buenos Aires

Die Fähre von Colonia ähnelt mehr einem Flugzeug, als einer Überfahrt, wie wir sie vom Ärmelkanal kennen. Das Gepäck wird eingecheckt und an Board ist kaum mehr Platz als in einem Flugzeug. Als wir nach einer Stunde am 22. November gegen 18 Uhr in Buenos Aires ankommen, haben gerade die Wahllokale geschlossen. Daniel Scioli und Mauricio Macri – der sich später als Sieger herausstellen soll – sind heute zur Stichwahl um die Präsidentschaft angetreten.

An der Casa Rosada, in der der Präsident traditionell beheimatet ist, herrscht große Polizeipräsenz und wir haben das Gefühl, dass das Gebäude großräumig verbarrikadiert wird. Später erfahren wir jedoch, dass die Barrieren seit dem Finanzcrash 2001 immer hier stehen. Wir sehen eine Menschenversammlung in der Straße, aber an diesem Abend bleibt es ruhig. Die Argentinier mit denen wir sprechen scheinen in keinen der beiden Kandidaten große Hoffnung zu stecken und entsprechend gleichgültig scheint manchen von ihnen das Ergebnis zu sein. Das größte Problem des Landes ist wahrscheinlich die katastrophale Situation der Volkswirtschaft (s.u.).

Buenos Aires wirkt viel Europäischer, als wir es erwartet hatten. Koloniale Gebäude gibt es hier so gut wie keine, da sich Buenos Aires erst relativ spät zu einer Stadt entwickelt hat. Zur Blütezeit der Stadt, die hauptsächlich durch Agrarexporte florierte, war Frankreich das klare Vorbild in Sachen. Das lässt sich bis heute am enormen architektonischen Reichtum der Stadt sehen. Als die USA zur Weltmacht aufstiegen, ließ sich die Stadt zudem von deren Großstadtarchitektur inspirieren. So fühlen wir uns in Buenos Aires sehr an Paris erinnert, mit einem Hauch von New York – auch die Größe und Bedeutung erscheinen vergleichbar – und doch ist Buenos Aires einzigartig.

In den vier Tagen, die wir in Buenos Aires verbringen bekommen wir einen guten ersten Eindruck dieser faszinierenden Stadt. Wir nehmen an zwei Tagen an den sogenannten „Free Walking Tours“ Teil, in denen wir eine Menge Hintergrundinformation über die architektonisch besonders reichen Viertel Recoleta und Retiro, sowie die zentralen Viertel Congreso und Miscrocentro erfahren, die laut der Argentinier durch die breiteste Straße der Welt getrennt werden. Und in der Tat ist die Avenida 9 de Julio mit ihren 16 Spuren für Autos und 4 Busspuren nicht zu verfehlen.

Auf eigene Faust erkunden wir das nette, überschaubare San Telmo, mit seinen gepflasterten Straßen und der kleinen Markthalle sowie das bunte la Boca, wo die Fischer früher ihre Farbreste der Boote an den Häusern aufgebraucht haben und heute Touristenhorden Fotos mit hübschen Tangotänzerinnen schießen. Trotzdem hat das Viertel viel von seinem Charme behalten. Mit der Metro sind wir zudem schnell in Palermo, einem schicken Wohnviertel mit vielen Ausgehmöglichkeiten. Wir sind überwältigt von dieser Vielseitigkeit der Stadt und der Hilfsbereitschaft ihrer Bewohner. Beinahe jedes Mal, wenn wir einen Stadtplan auspacken, fragt uns jemand wo wir hin wollen.

Wir wohnen in Buenos Aires im Portal del Sur, ein Hostel, welches sich direkt im Microcentro in einem beeinduckenden alten Gebäude mit Innenhof und Dachterrasse befinet. Hier treffen wir Joachim aus der Pfalz wieder mit dem wir bereits in Asunción Zeit verbracht hatten. Wir wussten, dass er in der Stadt ist, aber die gleiche Hostelwahl war tatsächlich Zufall. Auch ein kanadisches Pärchen mit dem wir uns in Montevideo unterhalten hatten ist hier.

Drei Dinge, die man sich in Buenos Aires wahrscheinlich nicht entgehen lassen darf sind: Ein Argentinisches Steak, eine professionelle Tango-Show und eine Milonga, wo die Porteños selbst Tango tanzen.

Wir haben uns alle drei Dinge für den letzten Abend aufgehoben und verabschieden uns entsprechend furios von Buenos Aires. Um kurz vor 19 Uhr sind wir am „La Cabrera“ in Palermo. Hier gibt es das angeblich beste Steak der Stadt und bis 20 Uhr sogar auch noch 40% Rabat (die Argentinier essen ähnlich wie die Spanier meistens erst nach 22 Uhr). Und tatsächlich können wir uns beide nicht erinnern schon mal ein besseres Steak gegessen zu haben, so zart ist das Fleisch. Der Service ist sehr zügig und so abgestimmt, dass wir gegen 20 Uhr wieder ihren Tisch geräumt haben.

Das gibt uns genug Zeit, uns im Hostel noch so schick wie möglich zu machen (Jeans, langes Shirt und Turnschuhe;-), bevor wir ins Piazzolla aufbrechen. Um 22 Uhr beginnt die Tango-Show, die ohne Essen mit 320 Pesos deutlich günstiger, als die meisten Shows war. Sie ist mindestens jeden ihrer Pesos wert. Die vier hochprofessionellen Tänzerpaare fesseln uns beide – unterstützt durch ein tolles Orchester – mit ihren Tangokünsten.

Die letzten 200 Pesos in unserem Portemonnaie geben wir anschließend für den Eintritt in die Bendita Milonga aus. Auch hier spielt bis 1 Uhr noch eine Live-Band und wir bekommen zu sehen wie die Einheimischen ihren Tango tanzen, nicht ganz so spektakulär wie die Profis, aber dafür sicher noch etwas leidenschaftlicher.

Am nächsten Tag, dem 26. November nehmen wir um 15 Uhr einen Bus nach Puerto Madryn, 1300 km weiter südlich um die Peninsula Valdés und ihre Tiere zu entdecken.

Wie viel ist ein Peso Wert?

Die Finanzsituation, in der das Land steckt, ist erschreckend. Bei einer Inflationsrate von 25% haben sich viele der Preise aus unserem Reiseführer von Ende 2014 sogar verdoppelt. So scheinen die Argentinier vor allem im „heute“ zu leben und ihr Geld möglichst auszugeben, bevor es nichts mehr Wert ist. Und wer doch etwas sparen will, versucht irgendwie an Dollar, Euro oder Pfund zu kommen, die er dann zu hause „unterm Kopfkissen“ deponiert. Da dieses fehlende Vertrauen sicher auch nicht fördernd für den Peso ist, hat sich die Regierung jedoch dazu entschlossen, den Argentiniern den Geldwechsel zu erschweren. An Dollar kommen sie entweder gar nicht oder nur zu einem sehr ungünstigen Kurs (soweit wir es verstanden haben). Dadurch ist ein enormer Schwarzmarkt zum Geldwechseln entstanden. Während der offizielle Kurs aktuell bei ca. $1 = 9 bis 10 Peso liegt, bekommt man auf der Straße, nach dem „blauen Kurs“ ca. 15 Peso für einen Dollar. Das ist offiziell zwar illegal, aber in Argentinien wechselt hier jeder sein Geld. In Buenos Aires geht man dazu am besten auf die Haupteinkaufsstraße, die Calle Florida. Hier stehen von morgens bis abends auf einer Länge von ca. 1 km alle 5 bis 10 Meter Leute, die ununterbrochen „Cambio, cambio, cambio,…“ vor sich her murmeln oder laut in die Menge rufen. Ein wahres Spektakel!

So ist es tatsächlich ein Kinderspiel einen Geldwechsler zu finden. Der Wechsel selbst ist dann – vor allem bei größeren Summen – ein bisschen aufregender, aber ebenfalls sehr unkompliziert. Da der größte Argentinische Schein einen Wert von 100 Peso (offiziell ca. €10) hat, kommt es schnell vor, dass man über hundert Scheine auf der Straße zählen muss. Aber auch daran gewöhnt man sich. Gegen Falschgeld schützt man sich mit einem kurzen Test, ob der Schein ein geriffeltes Profil hat. Es scheint von dem was wir gehört haben, jedoch nicht sehr verbreitet zu sein. So ist es für Touristen finanziell ein großer Vorteil mit ausländischem Bargeld nach Argentinien zu kommen, zumal man in Uruguay unbegrenzt Dollar vom Automaten abheben kann.

Wirklich verstanden haben wir die Situation der Argentinischen Wirtschaft allerdings noch nicht, aber das ist vermutlich auch schwierig, besonders wenn man kein Volkswirt ist. Die Preise in Restaurants und Supermärkten sind teilweise höher als in Europa, zumindest zum offiziellen Wechselkurs. Ein Durchschnittslohn hingegen ist deutlich niedriger. Dennoch scheint es auch viele wohlhabendere Argentinier zu geben, die sich die teuren Preise leisten können. Besonders in Buenos Aires fällt es einem schwer, die finanziellen Probleme des Landes zu verstehen, so reich wie das Zentrum der Stadt erscheint.

  1 comment for “Buenos Aires

  1. Moni
    9. Dezember 2015 at 10:40

    Danke für den ausführlichen Artikel, die Bilder und drei Videos. Wir haben gar nicht damit gerechnet jetzt was von euch zu hören, da ihr ja auf Treckingtour im Nationalpark in Patagonien seid♡♡♡Merci et bisous♡♡♡

Comments are closed.

Top